Anwendung und Nutzen des Wiener Kappzaums

Die Bedeutung des Kappzaums als schonendes Werkzeug

Hallo ihr Lieben,

mein heutiges Thema ist der Kappzaum mit seinen vielfältigen Anwendungen und welche Möglichkeiten er euch bei eurer Arbeit mit den Pferden eröffnet.

Um das empfindliche Pferdemaul zu schonen, nutzten bereits die alten Meister wie etwa Antoine de Pluvinel (1555 – 1620) den Kappzaum. Er verhindert, dass das Pferd beim Longieren oder der Arbeit an der Hand im Maul abgestumpft wird.

Wir wissen, dass die Arbeit an der Hand die Ausbildung unter dem Sattel vorbereiten kann. So kann das Pferd am Anfang der Ausbildung einfache Kommandos wie dem Schenkel zu weichen leichter verstehen lernen – beispielsweise bei der Vorhandwendung oder dem Schenkelweichen. Außerdem fordern wir bei der Handarbeit durch das erste Touchieren der Hinterbeine das Pferd auf, die Hanken besser zu beugen und in der Reaktion im Hinterbein schneller zu werden, ohne dass dabei das Reitergewicht stört.

In diesem Zusammenhang wurde der Kappzaum in der Geschichte der Reitausbildung erwähnt und eingesetzt. Auch beim Führen von jungen Pferden und beim ersten Anlongieren ist dieser gebisslose Zaum eine beträchtliche Hilfe. Korrekt genutzt stellt er eine große Unterstützung dar bei der soliden und schonenden Ausbildung von Pferden; so bleiben sie länger gesund und leistungsfähig.

Es gibt mehrere Arten von Kappzäumen. Wir verwenden den Wiener Kappzaum, wie er auch in der Spanischen Hofreitschule in Wien eingesetzt wird.

Die Bestandteile des Wiener Kappzaumes sind…

  • das dreifach geteilte Kappzaumeisen mit drei Ringen,
  • der Umlaufriemen über dem Genick,
  • zwei Backenstücke,
  • der geteilte Ganaschenriemen und
  • der geteilte Kinnriemen.

Das Kernstück ist das dreifach geteilte Kappzaumeisen mit den drei Ringen, welches durch seine besondere Form auf dem Nasenrücken optimal aufliegen kann. Da der Nasenrücken nicht vollkommen rund ist, sondern Kanten aufweist, müssen diese im Eisen wiederzufinden sein. Das Kappzaumeisen ist weich unterpolstert. Der mittlere Ring ist in alle Richtungen beweglich, sodass ein Handwechsel an der Longe ohne Umhängen stattfinden kann. Die seitlichen Ringe sind nur vertikal beweglich und werden für die Zügel beim Reiten oder während der Handarbeit genutzt, etwa bei den Schulsprüngen.

Dieser Kappzaum ist der direkte Vorgänger des Hannoverischen Reithalfters und wird auch wie ein solches verschnallt. Die Unterkante des Kappzaumeisens liegt also vier Finger breit über dem oberen Nüsternrand.

Wenn der Kappzaum zusammen mit einem Trensenzaum verwendet werden soll, kann er auch durchaus als Englisches Reithalfter verschnallt werden, also zwei Finger breit unter der Jochbeinleiste. Dabei muss darauf geachtet werden, dass bei aufgenommenen Zügeln bzw. eingeschnallten Hilfszügeln die Maulwinkel nicht eingeklemmt werden. Selbst bei der Verwendung mit Trense bevorzugen wir aber in jedem Fall die Hannoverische Verschnallung.

Zur Nutzung zusammen mit einer Trense haben wir spezielle Gebissriemen entwickelt, die sehr einfach einzuschnallen sind. Dadurch lässt sich der Kappzaum auch zum Reiten verwenden.

Beim Schließen der Riemen während des Aufzäumens sollte zunächst der Ganaschenriemen geschlossen werden, erst danach der Kinnriemen. Dadurch ist gewährleistet, dass sich der Druck gleichmäßig auf das Genick verteilt. Beide Riemen sollten so fest wie möglich geschlossen werden, denn nur so kann der Kappzaum richtig sitzen und damit wird ein Verrutschen in das äußere Auge vermieden. Dabei darf der Ganaschenriemen die Backenstücke etwas „verbiegen“ – dies behindert weder die korrekte Lage noch den korrekten Einsatz.

Ein als „schonend“ gedachtes lockeres Verschnallen des Kappzaumeisens wäre völlig falsch verstanden, denn je mehr Spiel das Kappzaumeisen hat, desto schärfer wird dessen Einsatz. Ganz im Gegenteil, ein feines Führen und weich dosierte Paraden sind damit nicht mehr möglich.

 

Wie wirkt der Kappzaum?

Der Kappzaum wirkt an den sogenannten Druckpunkten an verschiedenen Stellen am Pferdekopf. In erster Linie wirkt er aber auf das Genick und den Nasenrücken des Pferdes ein. Von einem Unterpolstern des Umlaufriemens mit Fell ist abzuraten, da diese Polster Platz benötigen und dann auf die Ohrmuscheln drücken können.

Elke Potucek Puscha

Escadalo

Auf dem empfindlichen Nasenrücken der Pferde befinden sich direkt unter der Haut, die dort keine polsternde Fett- oder Muskelschicht hat, viele sensorische Punkte – mehr als in der Handfläche des Menschen. Deswegen ist das Naseneisen beim Wiener Kappzaum auch gepolstert. Der Einsatz einer spanischen Serreta ohne Polster ist meiner Meinung nach Tierquälerei. Eines meiner Herzenspferde, ein für den Stierkampf ausgebildeter PRE-Hengst, hatte vom Einsatz der Serreta tiefe Narben auf dem Nasenrücken (getreu dem spanischen Motto: Je mehr Narben das Pferd auf dem Nasenrücken hat, desto stolzer war es beim Einreiten).

Die Sensibilität des Nasenrückens kann man in einem einfachen Experiment veranschaulichen. Wenn man mit dem Finger auf den Nasenrücken eines jungen Pferdes tippt, beginnt es zu nicken und zurückzuweichen. Auf genau diesem Verhalten basiert das Wirkprinzip des Kappzaumes. Öffnet ein mit dem Kappzaum gezäumtes Pferd unverhältnismäßig das Maul, wird Druck auf den Nasenrücken ausgeübt. Als Reaktion darauf schließt das Pferd sein Maul und damit fällt dieser Druck wieder weg. Der Nasenriemen, genau wie das Hannoverische Reithalfter, wirkt also selbstkorrigierend, da das Pferd lernt, ein Aufsperren des Mauls zu unterlassen. Umgekehrt darf dieser Riemen nicht so fest verschnallt sein, dass er den Kaureflex unterdrückt.

 

Welche Einsatzmöglichkeiten bietet der Kappzaum?

Insgesamt wird der Kappzaum beim Longieren des jungen Pferdes, bei der Longenarbeit ohne Reiter, bei Sitzschulungen mit dem Reiter und bei der Arbeit an der Hand eingesetzt. Darüber hinaus wird er in manchen Regionen und Reitweisen ausschließlich zum Reiten genutzt. Außerdem ist die Verwendung eines Kappzaumes während der Rehabilitation nach Maulverletzungen sinnvoll.

Dabei beginnt man mit dem Gewöhnen an den Kappzaum üblicherweise beim Führen. So akzeptieren die meisten halfterführigen Pferde den Kappzaum ohne Probleme. Beim Führen und ersten Eingewöhnen wird der Ganaschenriemen ein Loch weiter eingeschnallt. Beim Loslaufen „zieht“ man mit der Longe oder der Führleine leicht nach vorne, dadurch bekommt das Pferd einen sanften Druck auf das Kinn. Zum Anhalten oder Abbremsen steigert man den Druck auf das Kappzaumeisen mit vibrierenden Paraden. Folgt das Pferd der Aufforderung loszulaufen oder zu bremsen, wird der Druck an der Führleine wieder gelockert. Nach kurzen Paraden sollte sofort eine nachgebende folgen. Denn wenn das Pferd herausfindet, dass es stärker ist, wird es eventuell den Menschen einfach hinter sich herziehen.

(Video Anführen, Anhalten)

Je nach Zugrichtung und Situation kann also eine nach vorne auffordernde, eine verhaltende oder eine wendende Hilfe gegeben werden. Dies erleichtert die Kontrolle des Tempos, der Gangart und der Wendung. Außerdem unterstützt der Kappzaum beim Stellen, Biegen, Parieren, Lösen oder Aufrichten – und das alles ohne einen Ruck im Maul. Die perfekte Voraussetzung, bei einem jungen, unausbalancierten Pferd ein „weiches Maul“ zu erhalten.

 

Longieren mit dem Kappzaum

Ähnlich wie beim Reiten sollte das Pferd auch beim Longieren den Kontakt zur Reiterhand suchen. Es ist die Aufgabe des Longenführers, das junge Pferd dahingehend auszubilden, dass es sich an der stetig weich anstehenden Longe orientiert und ausbalanciert.

Nickbewegungen des Pferdes sollten vom Longenführer – analog zum Reiten – unterstützt werden. Die Nickbewegung sollte allenfalls ausgebremst, nie blockiert werden. Ist das Pferd allerdings zu eilig, muss die Longeneinwirkung schwerer werden. Die Schnelligkeit des Pferdes kann man dann mit schwingenden, wellenartigen Bewegungen drosseln. Dieses Schwingen bremst das äußere, zu schnell abfußende Hinterbein ab. Wie der Reiter muss der Longenführer die Hinterbeine kontrollieren können. Kontrolliert man die Hinterhand, kontrolliert man damit das ganze Pferd. Hängt die Longe aber durch, kommen die bremsenden Schwingungen – die Paraden – verfälscht, zu spät oder gar nicht am Pferd an. Deswegen ist eine konstante Anlehnung immer notwendig.

Weitere Informationen über das korrekte Longieren findet ihr im Buch unter der Rubrik: „Longierst du schon oder Schleuderst du noch?“

 

Arbeit an der Hand

Bei unserer Arbeit an der Hand denken wir nicht gleich an die Hohe Schule und Piaffearbeit. Auch junge Pferde können mit Seitengängen, Haltparaden, Rückwärtsrichten etc. auf die Arbeit unter dem Sattel vorbereitet werden. Erst wenn die Pferde weiter ausgebildet sind, kommt die Piaffearbeit hinzu. In Institutionen wie der Spanischen Hofreitschule in Wien oder im Staatsgestüt Lipica in Slowenien, wo ich jeden Monat zusammen mit Arthur Kottas-Heldenberg als dessen Co-Trainer unterrichte, werden auch Schulsprünge auf diese Weise gelehrt.

Die Arbeit an der Hand beginnt bereits bei einem Handwechsel an der Longe. Dort kann man das Pferd ohne großen Aufwand mit einem einfachen Übertreten, einer Vorhandwendung schulen. Außerdem ist ein weiches Stellen nach Innen und Außen, ein vorsichtiges Aufrichten, ein Biegen der Vorhand in der Wendung, ein Anführen an der Bande, eine Haltparade, ein einfaches Rückwärtsrichten etc. schon Kleinstarbeit an der Hand, was die Ausbildung unter dem Sattel sinnvoll unterstützt. Aus diesen einfachen Lektionen lassen sich später über das erste Antouchieren auch die höheren Lektionen an der Hand entwickeln.

Tipps und weitere Erklärungen findet ihr im Buch unter der Rubrik „Gut zu Fuß? Arbeit an der Hand“!

 

Fazit

Durch den Kappzaum erlernt das Pferd die Bedeutung sämtlicher Zügelhilfen und wird auf die einfachen Lektionen unter dem Sattel vorbereitet. Versteht das Pferd den Reiter, sind feine Hilfen möglich. Nicht nur junge Pferde sollten möglichst maulschonend gearbeitet werden. Wer mit Trense longiert, riskiert, dass das Gebiss durchs Maul gezogen wird und sich das Pferd unwohl fühlt, bei einem Erschrecken können sogar Maulverletzungen entstehen. Sobald man Pferde – gleich welchen Alters – longiert, ob mit Hilfszügel oder ohne, sollten diese einen Kappzaum tragen. Ohne Laden und Zunge zu quetschen, dient er der feinen und präzisen Verständigung mit dem Pferd.

Den Wiener Kappzaum erhaltet ihr bei uns im Webshop. (Link)